Dr. Helene Wally Langer

Helene Langer wurde am 14. Juli 1888 in Petropolis, Brasilien, als Helene Wally Nothmann, auch Nené genannt, geboren. Ihr Vater, Maximilian Nothmann (1843-1894), war ein risikofreudiger Unternehmer, ihre Mutter Clara, geborene Stoll, entstammte einer deutschen protestantischen Familie in Paris. Im Jahre 1894 wurde der Vater Maximilian Stoll von einem unzufriedenen Angestellten erschossen. Zu diesem Zeitpunkt war Clara Stoll mit dem fünften Kind schwanger. Die Witwe zog mit ihren fünf Kindern nach Deutschland. Helene wurde von Verwandten in Prag aufgenommen. Bei den jüdischen Pflegeeltern, die sie adoptierten, handelte es sich um die wesentlich ältere Cousine Helenes, Therese Zuckerkandl, und ihren Mann Robert Zuckerkandl. Da das Kind für diese eine neue Lebensaufgabe darstellte, verhalfen sie ihr zu bestmöglicher Bildung. Helene Langer studierte Pflanzenphysiologie und physikalische Chemie in Prag. 1912 promovierte sie als Bakteriologin. Am 16. August 1916 heiratete sie den Juristen Wilhelm Langer (1887-1973). Während der Zeit des Ersten Weltkrieges war sie als Krankenschwester und Bakteriologin in Prag und in der Steiermark tätig. Als Prag 1918 zur Haupstadt der neu verkündeten Tschechoslowakischen Republik wurde, häuften sich Ausschreitungen gegen Juden und Deutschsprachige. Somit kam dem Ehepaar ein Stellenangebot für Wilhelm Langer aus Deutschland im neu gegründeten Hydrotechnischen Büro von Professor Straubel sehr gelegen und sie zogen nach Jena. Dort wurde 1919 die Tochter Emma, 1921 die Tochter Herta und 1923 der Sohn Gerhard geboren.

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Helene Langer
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Helene Langers Cousine und Adoptivmutter: Therese Zuckerkandl
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Helene Langers Cousine: Marie Straubel

1926 siedelte auch ihre inzwischen verwitwete Cousine Therese Zuckerkandl nach Jena um. Wilhelm Langer übernahm die Aufsicht über den Bau einer Bauhausvilla in der Weinbergstraße, welche Therese Zuckerkandl bei Walter Gropius in Auftrag gegeben hatte. Im November 1928 zog die Familie Langer in die Wohnung in der ersten Etage des Hauses ein. Wenig später begannen die ersten Einschränkungen durch den Nationalsozialismus auch die Familie Langer zu betreffen. Gerhard Langer sagte, dass „frühere Bekannte sogar die Straßenseite wechselten, wenn er mit seiner Mutter unterwegs war“ (Stadtarchiv Jena (Hrsg.):Jüdische Lebenswege in Jena.Erinnerungen, Fragmente, Spuren,Bd.18,Jena 2015,s.309-311). Jedoch gab es auch Freunde wie die Familie Unrein, die auch in den Zeiten des Nationalsozialismus zu ihnen hielten. Das Bleiben in Deutschland wurde für die Familie immer gefährlicher, aber Helene Langer wollte ihre kranke Adoptivmutter nicht allein zurücklassen. Zuerst hoffte sie, dass sie durch die brasilianische Staatsangehörigkeit, welche sie von Geburt an besaß, geschützt würde. Diese Hoffnung wurde allerdings vernichtet, als Brasilien Deutschland 1942 den Krieg erklärte. Am 14. Juni 1944, ihr Mann war gerade auf einer Dienstreise, erhielt sie die Aufforderung von der Gestapo, sich zum Abtransport zum Westbahnhof zu begeben. Um der Deportation zu entgehen, wählte Helene Langer den Freitod und stürzte sich am 16. Juni 1944 von der „Lutherkanzel“, einem Felsvorsprung oberhalb des Leutraursprungs im Mühltal, in den Tod.
Ihr Mann Wilhelm Langer war kein Jude und überlebte den Krieg. Die Tochter Emma Langer (1919-1999) entging durch ihre beruflichte Tätigkeit in Berlin den gefährlichen Situationen in Jena. Nach Ende des Krieges arbeitete sie im Zeisswerk, wurde 1959 bei einem Grenzübergang von Ost- nach Westberlin gefangengenommen und lebte nach ihrer Entlassung im Haus Zuckerkandl. Die Tochter Herta Langer (1921-1990) trat 1940 der protestantischen diakonischen Schwesternschaft bei, wodurch ihr eine Ausbildung zur Krankenschwester ermöglicht wurde. Sie pflegte ihren Vater bis zu dessen Tod und blieb auch danach noch im Sophienhaus in Weimar. Gerhard Langer (*1923) wanderte mit fünfzehn Jahren mit einer Bekannten und deren Kindern in die USA aus. Der Aufenthalt wurde von einem alleinstehenden Bruder seiner Mutter finanziert.
Zum Gedenken an Helene Langer wurde ein Stolperstein in der Weinbergstraße 4a am 7. Mai 2008 verlegt.