Agnes Nathalie Holzman

Agnes Holzman wurde am 15. Juli 1863 als Agnes Nathalie Priebatsch in Breslau geboren. Ihre Eltern waren der Buchhändler Iselin Priebatsch und seine Ehefrau Auguste Priebatsch. Zu ihrer Familie gehörten noch vier jüngere Geschwister: Richard, Felix, Wally und Paul. Die jüdische Familie gehörte einer angesehenen „Buchhändlerdynastie“ an, die durch Agnes Holzmans Großvater Naumann (Naphtali) Priebatsch begründet wurde. Dieser hatte schon 1826 eine Buchhandlung in Schmiegel in der Provinz Posen eröffnet. Agnes Holzmann wuchs in einem sehr kulturell geprägten Elternhaus in Breslau auf, wo der Vater seine Buchhandlung betrieb. Am 29. Dezember 1885, im Alter von 22 Jahren, heiratete sie den Amtsrichter Julius Holzman, mit dem sie zunächst nach Obornik, später nach Posen zog. In dieser Zeit wurden die beiden Söhne Walter (1887) und Max (1889) geboren. Beide wurden jüdisch getauft, jedoch spielte dies im Familienleben kaum eine Rolle. Das Ehepaar Holzman war sehr interessiert in der klassischen deutschen Literatur und Philosophie. Agnes Holzman las viel und kannte viele Gedichte. Das Ende dieses Lebensabschnittes, der vor allem durch familiäre Nähe geprägt war, kam mit dem Tod des Sohnes Walter 1918 im ersten Weltkrieg. Zuvor war er, wie sein Vater, im Justizdienst tätig gewesen. Wenig später, am 28. November 1918, starb auch Julius Holzman. Nach dessen Tod verlor die nun verwitwete Agnes Holzman ihr Haus in Posen, welches durch den Versailler Vertrag nun zu Polen gehörte und zog 1920 zunächst nach Magdeburg zu ihrer Schwester Wally, die dort mit ihrem Mann Paul Wertheim lebte. 1923 siedelte sie nach Jena über, wo sie bei der Schwiegermutter ihres Sohnes Max, Margerete Czapski, eine kleine Wohnung im Erdgeschoss erhielt. Diese war die Witwe des Abbe-Nachfolgers und Bevollmächtigten der Carl-Zeiss-Stiftung Siegfried Czapski, der ein hohes Ansehen genossen hatte. Diese Wertschätzung übertrug sich auch auf seine Ehefrau, die nach seinem Tod 1907 das Wohnhaus im Forstweg 23 als offenes Haus weiterführte.

Agnes Holzmann

Als Mutter von acht Kindern sorgte sie für junge Schwangere und gründete 1912 ein Entbindungsheim für alleinstehende Mütter. Außerdem war sie sehr engagiert in der Frauenbewegung und gehörte der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ an, deren Ziele unter anderem friedliche Lösung von Konflikten und Gleichberechtigung der Frauen waren. Agnes Holzman führte in der kleinen Wohnung ein stilles, zurückgezogenes Leben, welches ab und zu durch Besuche ihres Sohnes Max mit den beiden Enkelinnen, die in Kaunas in Litauen lebten, aufgeheitert wurde. Nach dem Tod ihres Mannes erhielt sie eine gute Pension und richtete sich ihre kleine Wohnung sehr geschmackvoll her. Genauso wichtig wie ein gepflegtes Heim war ihr auch gutes Betragen. Meistens trug sie schwarze Kleidung, in der sie zurückhaltend und vornehm aussah. Laut ihren Angehörigen war sie eine sehr freundliche, hilfsbereite und herzliche Frau, die bis zuletzt am festen Glauben an das Gute im Menschen festhielt. Das Zusammenleben der beiden Frauen in einem Haus gestaltete sich nicht immer einfach, denn sie stammten aus zu verschiedenen Elternhäusern. Margarete Czapski, die in Frankreich aufgewachsen und erzogen worden war, war noch immer einem eher westeuropäischen Lebensstil nahe, Agnes Holzman dagegen stammte aus Osteuropa und war daher eine andere Kultur gewohnt. Jedoch war der Umgang miteinander auch sehr respekt- und verständnisvoll. Als bildlichen Vergleich kann man das abendliche Schachspiel ansehen: „...dass sich hier zwei Menschen im spielerischen Wettstreit befanden, die eine aber auch auf die Züge der anderen angewiesen war.“ (Amlacher, Cornelia u.a. (Hrsg.):Anpassung, Verfolgung, Widerstand.Frauen in Jena 1933-1945,Jena 2007,S.75) Agnes Holzman bekam durch ihr zurückgezogenes Leben von den zunehmenden Schwierigkeiten, mit denen die jüdischen Bürger Jenas zu kämpfen hatten, kaum etwas mit. Zwar war sie bereits im November 1938 von der Deportation bedroht gewesen, wurde aber durch den mutigen Einsatz und das autoritäre Auftreten Margarete Czapskis vor den Nationalsozialisten geschützt. Diese setzte sich auch für das Wohnrecht von Agnes Holzman in ihrem Haus ein, als die städtischen Behörden 1939 die Vertreibung der Juden aus ihren Wohnungen veranlassten, was ein weiterer Beweis für ein enges Verhältnis der beiden Frauen war. Ein letzter Lichtblick im Leben von Agnes Holzmann war das Weihnachtsfest 1938, welches das letzte gemeinsame mit ihrem Sohn sein sollte. Dieser wurde im Juli 1941 und seine Tochter Marie im Oktober 1941 in Litauen ermordet. Um sie zu schonen, hielten die Angehörigen diese Nachricht vor Agnes Holzman geheim.
Am 20. September 1942 wurde dann auch die 79-Jährige in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie nach wenigen Wochen am Hunger starb. Ihre Schwester Wally nahm sich vor der drohenden Deportation 1943 das Leben. Agnes Holzmans Schwiegertochter Helene Czapski-Holzman und ihre Enkelin Margarete überlebten den Holocaust.
Ein Stolperstein zum Gedenken an Agnes Holzman wurde am 23. Mai 2007 auf Initiative ihrer Enkelin Margarete Holzman im Forstweg 23 verlegt.